jueves, 12 de marzo de 2015

Der Raum zwischen den Sätzen



Über den Raum zwischen den Sätzen schreibt Proust: "Zwischen den Sätzen, in den Intervallen, die sie voneinander trennen, hält sich noch heute wie in einer unversehrter Totengruft ein oft vielhunderjähriges Schweigen, das die Zwischenräume ausfüllt.” (Marcel Proust – Tage des Lesens – S.55)

Meistens ist das Ziel eines Essays die Aufdeckung einer Frage oder Merkwürdigkeit. Das spannende an einem Essay sind die Sätze, die einen überraschen und dich zu alten und beiseite gelassenen Ideen zurückführen. In einem Text, so kurz wie ein Essay, könnte man eine handvoll Sätze finden, die wahrscheinlich nicht der Kern des Textes, aber einige seiner Wendepunkte sind.
An diesem Satz von Proust hat mich besonders der musikalische Inhalt seiner Idee interessiert. Die Stille, verstanden nicht als Abwesenheit, sondern als Metainhalt, ist fast unbemerkbar, aber notwendigerweise anwesend. Der Raum zwischen den Sätzen ist der Rhythmus des Schriftstellers: Seine Atmung und seine Augen, die nach einem Satz und vor dem nächsten durchs Fenster nach draußen schauen. Es ist nicht nur die Atmung des Schriftstellers, sondern nach Proust noch mehr: “Oft habe ich im Lukasevangelium, wenn ich auf die Doppelpunkte traf, die es vor jeder der zahlreichen Stellen unterbrechen, die fast die Form eines Lobgesanges haben, das Schweigen des Gläubigen gehört, der sein lautes Lesen unterbrach, um dann die folgende Strophe anzustimmen wie einen Psalm, der ihn an die älteren Psalmen der Bibel erinnerte.” (Marcel Proust – Tage des Lesens – S.55)
Zwischen den Sätzen versteckt sich auch der Rhythmus der Figuren eines Textes und hier finden wir eine zweite rhythmische Ebene. Solange der Schriftsteller eine Figur erschafft, erlaubt er ihr einen eigenen Rhythmus und eigene Pausen zu haben. In einem Text fügen sich zwei rhythmische Ebenen ineinander, die sich fortwährend, beim Lesen, aufeinander beziehen, also ein literarischer Kontrapunkt.
Die Rolle des Lesers ist das, was mich interessiert. Wenn man sich zur Beschäftigung mit den Takten eines Buches entschließt, entscheidet man sich auch für einen Puls, ein Tempo, mit welchem man als Leser dem Text seine eigene Art und Weise gibt. Aus diesem Grund reicht es nicht aus, über die rhythmische Ebene eines Texte zu sprechen, sondern wir sollten auch den Puls des Lesers beachten. Wenn wir zum Beispiel ein Drama lesen, nehmen wir es nicht unbedingt als Drama war, dadurch können rhythmische Risse entstehen, weil der Leser den Text anders interpretieren könnte. In dem Selbstgespräch von Molly Bloom scheint es keine Bewegung zu geben und daher auch keinen Rhythmus, sondern es gibt einen „statischen Rhythmus“, Kein-Rhythmus. Das heißt, dass der Charakter uns zu einer statischen Fläche führt, die sich unbeweglich und verstaubt in einem denkenden Kopf abspielt und er gibt, durch die Introspektion, unserem Lesen eine gleichbleibende Geschwindigkeit.
Das ist ein Beispiel, in welchem der Rhythmus des Schriftstellers sich über den Rhythmus der Figur hinwegsetzen muss, nicht für den Verfall der Psychologie der Figur (denn gäbe man der Frau von Bloom Satzzeichen, würden ihre Gedanken zerfallen), sondern aufgrund der Art des Lesens. Es scheint, als ob Molly den Leser und seinen Puls zu keinem Ziel führt und trotzdem nimmt der Leser eine Zukunft war. Deswegen liest er weiter. Dieses Gefühl von Zukunft entsteht aus dem perkussiven Material, dem Wort „ja“, welches in dem Text in verschiedenen Frequenzen eingefügt wurde. Das „ja“, diese Betonung in den Überlegungen dieser Frau, die auf ihren Mann wartet, geben dem starren Text Bewegung. Es sind Zensuren, Atmung und Ordnung des Gedächtnisses der Figur, die dem Leser gleichzeitig erlauben dem Text eine Form zu geben. Lass uns sagen, dass das optimistische Material „ja“ uns bis zu einem Ende schleppt und dem introspektiven Selbstgespräch von Molly das gibt, was der Leser sucht: Endlichkeit.
Wiederum führt uns Arnold Schmidt, mit seinem Werk „ Zetell’s Traum“, zu einem anderen Universum, wo die Räume zwischen den Sätzen in den Randnotizen ausgebreitet sind, da für Schmidt bestimmte Wörter und deren Kombination in sich eine Bedeutung haben, eine klangvolle Bedeutung. Wenn der Schriftsteller einen von diesen Räumen findet, leert er durch die Notizen den implizierten Inhalt bewusst aus. Möglicherweise beabsichtigte Arnold Schmidt eine „Partitur“ zu schreiben, in welcher sowohl Charakter als auch akustisches Phänomen notiert sind. Ein Text, in welchem sowohl das Geschriebene als auch das, was erklingt (die Zwischenräume über die uns Proust erzählte), erscheint.

Jetzt komme ich zu dem Punkt, wo meine Meinung hervortritt: Die Interpretation ist der letzte Schritt einer Komposition: Die Klänge, die Wörter oder die Ideen zwischen den Räumen, die der Zuhörer oder Leser retten, erfinden oder komponieren könnte. Es ist der Umhang des Anscheins, der das Werk bedeckt, gekleidet mit den Wünschen des Lesers (eines lesenden Publikums). Sei es Endlichkeit, Ganzheit oder ein Programm was es sucht.

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